In unserem Artikel über die Insektenhotels und Nistkästen haben wir Ihnen berichtet, dass wir auch Rat bei Konrad Brockmann, Land- und Forstwirt und seit vielen Jahren Jäger im Ortsteil Osnabrück Voxtrup gesucht haben. Herrn Brockmann haben wir vor vielen Jahren kennengelernt, als wir uns entschlossen, Wespennester nicht mit der Chemiekeule, sondern umweltgerecht entfernen zu lassen. Voraussetzung für das Entfernen war, dass sie eine Gefahr für das Mieterwohl darstellten. So kamen wir über den damaligen  Fledermausbeauftragten der Stadt Osnabrück zu Konrad Brockmann, der auch staatlich geprüfter Schädlingsbekämpfer ist und viele Jahre der einzige „Siebenschläferumsiedler“ Deutschlands war. Er verfügt über ein umfassendes Wissen über Mensch, Tier und Natur.
Darum haben wir Herrn Brockmann gefragt, ob er wisse, warum so viele Insektenarten verschwinden.

Frage: Herr Brockmann, können Sie bestätigen, dass ein erheblicher Schwund an Insekten zu verzeichnen ist?
Antwort: Ja. Der Schwund ist ganz massiv und wird inzwischen von Jedermann beobachtet. Wir haben eine Verringerung der Insekten von über zwei Drittel und ein Ende ist nicht abzusehen.
Frage: Liegt das an der Monokultur in der Landwirtschaft oder dem Fehlen von Ackergrünstreifen oder auch an dem Einsatz von Pestiziden?
Antwort: Monokultur und fehlende Ackergrünstreifen sind nur am Rande relevant. Anders sieht das bei den Pflanzenschutzmitteln aus. Chemische Pflanzenschutzmittel wurden so lange ich mich erinnern kann in der Landwirtschaft und auch bei dem Kleingärtner und Gartenbesitzer eingesetzt. Unkrautmittel, also Herbizide wie das alte U46 oder später das M52 kennen die Älteren unter uns noch aus der Praxis nach dem Krieg. Weizen und Gerste mussten gegen Mehltau behandelt werden. „Sonst wird daraus nichts“, pflegte mein Vater zu sagen. Aber wenn wir uns erinnern, gab es trotzdem überall Insekten. Autos mussten mit Insektenspray behandelt werden, bevor sie gewaschen wurden. Jeder Autobesitzer verfügte über einen Insektenschwamm.
Frage: Also sind diese chemischen Pflanzenschutzmittel vielleicht Auslöser des Insektensterbens?
Antwort: Normal eingesetzte zugelassene chemische Pflanzenschutzmittel waren damals und sind auch heute nicht das Problem. Allerdings gelang es der Industrie Anfang der 70er Jahre ein Mittel herzustellen, das systemisch wirkte. Es hieß „Round up“ und war als Mittel gegen Unkräuter gedacht, die sich nicht nur über den Samen, sondern auch über die Wurzeln vermehren.
Der Wirkstoff dieses Mittels heißt Glyphosat und ist mittlerweile jedem bekannt.
Frage: Worin besteht der Unterschied zu anderen Pflanzenschutzmitteln?
Antwort: Dieser liegt in seiner systemischen Wirkungsweise. Und zwar täuscht das Mittel, wenn es ausgebracht wird, der Pflanze vor, ein Nährstoff zu sein. Die Pflanze nimmt dieses Mittel in seinen Saftstrom auf und befördert es bis in die gesamten Wurzeln. Dann erst beginnt das tödliche Werk, so wie es bisher kein anderes Mittel geschafft hat: Pflanze und Wurzeln sterben ab.
Frage: Glyphosat wurde bereits im menschlichen Körper nachgewiesen. Wie der Mensch es aufnimmt, ist ein anderes, sehr interessantes Thema, das in diesem Zusammenhang aber leider zu weit führt. Daher möchten wir heute gerne wissen, ob und wenn ja, Insekten unter der Verwendung systemischer Mittel leiden und durch sie auch möglicherweise sterben.
Antwort: Wir wissen nicht, wie und ob Glyphosat auf Insekten wirkt oder auf die Vögel, die das Getreide fressen. Denn schließlich ist es ein Herbizid, das auf Pflanzen wirkt und kein Insektizid (Insektengift). Die Industrie hat allerdings lange an einem systemischen Mittel auch gegen Insekten herumgetüftelt. Teilsystemische Mittel wie E 605 gab es immer schon. Diese neuen Mittel, sog. Neonikotinoide, enthalten einen Wirkstoff, der sogar natürlichen Ursprungs ist, nämlich das Nikotin. Nikotin ist für Insekten tödlich. Das Mittel wird von der Pflanze in den Saftstrom aufgenommen und hat so eine entsprechende längere Wirkung. Außerdem wirkt es sowohl gegen saugende als auch gegen beißende Insekten, also auch gegen die, die sich gerne ein Stück von einem Blatt schmecken lassen. Außerdem bereichert dieser Wirkstoff auch den Honigtau, den sich besonders in den Morgenstunden auch Bienen schmecken lassen.
Nun gibt es in der Landwirtschaft Ackerfrüchte, die jede Saison eine Behandlung mit Insektiziden benötigen. Die Zuckerrübe gehört zum Beispiel dazu. Hier wurde gegen die Rübenfliege schon immer gesprüht, aber zum Insektensterben hatte diese Behandlung bisher nicht geführt. Überaus problematisch wird es, wenn dieses Insektizid prophylaktisch auf alles gesprüht wird, was auf dem Acker steht.
Früher wurde ein Insektizid erst dann gesprüht, wenn Läuse auf dem Getreidefeld festgestellt wurden. Heute ist es billiger, mit einer anderen Spritzung ein Insektenmittel prophylaktisch beizumischen, als bei wirklichem Befall nochmal zu spritzen.
Und wenn dann bei dieser prophylaktischen Mischung das hoch wirksame systemische Mittel mit dem Wirkstoff Nikotin eingesetzt wird, kann kein Insekt überleben.
Frage: Sollten alle Insekten aussterben, was passiert dann mit uns Menschen und mit der Welt, in der wir leben?
Antwort: Die Frage kann Ihnen niemand beantworten. Wir haben alle ein Leben ohne Insekten noch nicht erlebt. Daher können wir nur ahnen, was passieren wird. Die Insekten sind die Überträger der Blütenpollen, wobei die Bienen die Hauptüberträger sind. Die Übertragung der Bestäubung fiele dann bei vielen Pflanzenarten aus. Obst- und Gemüsesorten, die wir gerne essen und auch Dinge wie Schokolade, hätten wir nicht ohne Insekten. Sie helfen außerdem dabei, Blätter, tote Bäume und die Körper toter Tiere zu zersetzen. Sie recyclen Nährstoffe und
stellen sie wieder zur Verfügung. Ohne Insekten würden Kuh-Haufen und tote Tiere überall herumliegen.
Frage: Herr Brockmann, eine letzte Frage: Sind damit die in der Landwirtschaft eingesetzten Insektizide die ausschließliche Ursache für das enorme Insektensterben, so dass wir als Verbraucher machtlos sind oder können wir als einzelne Bürger auch zum Überleben der Insekten beitragen?
Antwort: Hauptursache für das Sterben der Insekten ist das prophylaktische Ausbringen von Insektiziden in der Landwirtschaft, im Gartenbau, in den Kleingartenanlagen bis zum Hobbygärtner. Würde hierauf verzichtet werden, wäre den Insekten sehr geholfen, sich wieder zu erholen.
Durch den Aufbau der Insektenhotels und dem Anlegen einer kleinen Wildblumenwiese für jedes Hotel tragen Sie auf jeden Fall zu einer erhöhten Bestandsdichte der Insekten bei. Diese innovative Idee sollte ein Ansporn für uns alle sein, unserer Natur wieder auf die Sprünge zu helfen.

 

Herr Brockmann, wir bedanken uns ganz herzlich für dieses offene, interessante und informative Gespräch. Wir müssen verstehen, dass wir nicht auf der einen Seite stehen und Tier und Natur auf der anderen Seite. Vielmehr sind wir untrennbar miteinander verbunden, eine Symbiose. Helfen wir unseren Insekten, helfen wir uns selber! Also legen wir los!